Schwammregion
Projekteinführung/ Hintergrund/ Trägerschaft

Warum braucht es Schwammregionen?
Wasser ist im wahrsten Sinne die Quelle allen Lebens. Ohne Wasser kein Leben.
Bisher war Deutschland ein Wasser-reiches Land und ist es auch heute noch. Durch die Klimaerhitzung ändert sich aber auch die Verfügbarkeit des kostbaren Nass. Manchmal fällt es im Überfluss, verursacht dabei sogar bisweilen große Schäden. Zu anderen Zeiten reiht sich eine Dürreperiode an die nächste. Die Folge: Ernteausfälle, Waldsterben, Niedrigwasser in den Flüssen und absinkende Grundwasserspiegel. Zu allem Übel wird in einigen Jahren die Verfügbarkeit von Schmelzwasser aus den Alpen nachlassen und die Wasserknappheit in der Rheinregion weiter verschärfen. Da die Weltgemeinschaft es nicht geschafft hat, die Treibhausgasemissionen zu stoppen müssen wir uns diesen Gegebenheiten wohl oder übel anpassen und unser Verhältnis zum Wasser neu ordnen.
In Zeiten der Klimakrise ist es entscheidend, die im Winterhalbjahr vermehrt fallenden (Stark-)Niederschläge für das zunehmend trockenere Sommerhalbjahr in Regengärten, Schwammdörfern, -städten und -landschaften einzuspeichern. Ziel von Schwammregion ist es, das Problembewusstsein bei den Menschen in der Region zu steigern, die Kenntnisse über geeignete Methoden zu verbreiten. Mit der Unterstützung von WissenschaftlerInnen sollen Netzwerke von Praktikern, zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Behörden gebildet werden, die Maßnahmen definieren und möglichst schnell in Umsetzung bringen.
Der regionale Schwerpunkt des Projekts ist die Soonwald-Nahe-Region. Sie ist aktuell von erheblichen hydrologischen Veränderungen betroffen. Einerseits treten insbesondere kleinere, im Soonwald entspringende Mittelgebirgsbäche immer häufiger über die Ufer und führen zu Schäden in den anliegenden Ortschaften. Nach Starkniederschlägen betraf es beispielsweise 2016 den Guldenbach und 2021 den Ellerbach. Andererseits haben die Sommerniederschläge bspw. im Hunsrück, bezogen auf einen Vergleich zwischen dem langjährigen Mittelwert zwischen 1881-2022 (233 l/m2) und dem Mittelwert zwischen 1993-2022 (211 l/m2), abgenommen. Frequenz und Dauer von sommerlichen Dürreperioden haben deutlich zugenommen.
Heute ist eine große Zahl der Bäume im Soonwald aufgrund von Trockenstress beschädigt, darunter auch Buchen und Eichen. Land- und Forstwirtschaftsbetriebe haben wirtschaftliche Einbußen zu beklagen, Wassermangel entwickelt sich zu einer grundlegenden Herausforderung auch für die breite Bevölkerung.
Als Antwort auf die sich abzeichnenden Auswirkungen des Klimawandels ist der Wasserrückhalt in der Landschaft von zentraler Bedeutung. Niederschlag wird bei Starkregen infolge vergangener anthropogener Veränderungen des Landschaftswasserhaushalts rasch über den Oberflächenabfluss in die Bäche und Flüsse abgegeben und kann aufgrund weitgehend fehlender Infiltration in den Boden nicht zur Grundwasserneubildung beitragen. Ursächlich hierfür sind neben den geomorphologischen Eigenschaften (Geländeform, Hangneigung, Exposition etc.) beabsichtigte und unbeabsichtigte Eingriffe in den Landschaftswasserhaushalt wie Gewässerbegradigungen und -fassungen, Verluste natürlicher Auen und Überflutungsräume, Bodenverdichtungen, Versiegelungen und der Bau von Wegen, Straßen, Entwässerungsgräben und Drainagen. Klimaveränderungen mit steigenden Jahresmitteltemperaturen, Hitzeperioden, Verschiebung der Niederschläge in das hydrologische Winterhalbjahr, Auftreten von Starkniederschlägen und länger anhaltende Trockenperioden (insbesondere in den Sommermonaten), fehlender Schnee sowie eine wegen steigender Temperaturen erhöhte Verdunstung verstärken direkte menschliche Eingriffe in die Landschaft.
Der Umgang mit Trockenheit und Sturzfluten entwickelt sich mehr und mehr zu einer zentralen Herausforderung im Erhalt der Lebensqualität der Bevölkerung, des kulturellen Erbes, der Wald- und Offenlandökosysteme, der ökonomischen Grundlagen von Forst- und Landwirtschaft und des Weinbaus.
Stand der Wasserrückhaltung in der Hunsrück-Nahe-Region
Die Ahrkatastrophe 2021, die Debatte um Brunnenbohrungen für Mineralwasserhersteller im Nationalpark Hunsrück-Hochwald und die amtliche Einschränkung von Trinkwasserentnahmen 2020 und 2022 durch verschiedene Verbandsgemeinden sind prominente Beispiele für eine Entwicklung, die zwischen den Extremen von zu viel und zu wenig Wasser pendelt und bei denen unterschiedlichste Interessenkonflikte um die Ressource Wasser immer stärker zu Tage treten.
Das Problem des erheblich zu geringen Wasserrückhalts ist in der Soonwald-Nahe-Region bereits seit vielen Jahren bekannt. Gegenmaßnahmen konzentrierten sich zunächst aber vor allem auf die symptomatische Hochwasser-Risikovorsorge an der Nahe durch bauliche Eingriffe. So finden sich heute entlang besonders betroffener Ortschaften und Städte Rückhaltebecken sowie mobile oder stationäre Staumauern. Nach den Hochwasserereignissen der 1990er Jahre rückte das flächige Retentionsvermögen in den Fokus. Im Rahmen der Aktion Blau und der Aktion Blau Plus wurden einige Gewässer und deren Überschwemmungsflächen renaturiert, um ihnen während Hochwasserereignissen ausreichend Raum zu geben und ihre ökologische Wertigkeit zu erhöhen. An diese Initiativen sind häufig Konzepte der Naherholung, des Tourismus und der Umweltbildung gekoppelt.
Ein räumlicher Schwerpunkt liegt auf dem Soonwald. Dort fallen die höchsten Niederschlagsmengen der Region (über 900 mm im Jahresmittel; Zeitraum 1981-2010; MKUEM 2022b) und die Wälder der Hochlagen stellen einen bedeutenden Anteil der Landbedeckung dar. Nicht zuletzt aufgrund seiner tiefgreifenden anthropogenen Überprägung wirkt der Soonwald heute, wie auch Offenlandflächen des Hunsrücks, abflussverschärfend und damit hochwasserfördernd (u.a. Bott 2002, Tempel 2006, Tempel et al 2011). In den vergangenen Jahren wurden dort erste Ansätze zur Reaktivierung des flächigen Wasserrückhaltes umgesetzt. Im Rahmen des EU-Life-Projekts „Entwicklung von Feucht- und Nasswäldern im Soonwald“, das die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz von 2010 bis 2014 koordinierte, wurden in den Einzugsgebieten des Lametbaches (Landwiesen) und des Gräfenbaches (Glashütterwiesen und Hölzerkopf) Entwässerungsgräben verschlossen, Rückhaltebecken installiert und Wege zurückgebaut (mündl. Mitteilung Nagel 2014, mündl. Mitteilung Hopf 2014). Das Forstamt Soonwald ist seit 2022 Schwerpunktforstamt zum Thema Wald und Wasser von Landesforsten Rheinland-Pfalz und erhält finanzielle Sondermittel von Seiten der Wasserwirtschaft bis ins Jahr 2026. Dies beinhaltet die Umsetzung von Maßnahmen zur Erhöhung der Wasser-Rückhaltefähigkeit des Soonwaldes wie den Rückbau von Wegedurchlässen, den Bau von Abschlägen sowie den Verschluss von Entwässerungs- und Wegseitengräben. Im Jahr 2023 wurden im Rahmen des Bergwaldprojekts im Soonwald Entwässerungsgräben verschlossen.
Schwamm-Maßnahmen in der Landwirtschaft
Bewährte Methoden der Wasserrückhaltung im Bereich der Landwirtschaft sind reduzierte und höhenparallele Bodenbearbeitung sowie Agroforstwirtschaft. Die Umsetzung ist bisher schwierig weil diese Methoden etwas aufwändiger sind als die bisherige Art der Bewirtschaftung möglichst großer Schläge und auch ein anderer Maschinenpark erforderlich ist. Mittel- und langfristig sind jedoch Bewirtschaftungsformen vorzuziehen, die mit weniger Kunstdünger auskommen und die Humusbildung und Wasserspeicherung fördern. Die Umstellung ist sehr komplex, von den lokalen Gegebenheiten abhängig und kann nur in enger Kooperation mit den Praktikern angegangen werden, die ihre Böden und klimatischen Verhältnisse am besten kennen.
Die Schwammstadt als Vorbild für urbane Räume
Eine Vorsorgestrategie, um klimawandel-bedingte Auswirkungen wie Trockenheit und Sturzfluten im Sinne der Klimaanpassung zu begegnen, ist das Konzept der Schwammstadt (“Sponge City”). Hierbei wird die Klimaresilienz durch blau-grüne Infrastruktur verbessert, d.h. durch urbanes Wasser- und Grünflächenmanagement. Es wird versucht, das Niederschlagswasser effizient in Böden infiltrieren zu lassen, um es zwischenzuspeichern (Schwammprinzip). Der Wasserrückhalt wird auch durch das Sammeln an der Oberfläche (Mulden- und Grabenstrukturen) gewährleistet. In Trockenperioden kann gespeichertes Wasser verdunsten (Kühleffekt) oder steht zur Bewässerung bereit.
Bezüge zu anderen Programmen von EU, Bund und Ländern
Die Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlamants verpflichtet alle Mitgliedstaaten der EU, bis 2015 und in Ausnahmefällen bis 2027 alle Gewässer in einen „guten ökologischen“ und „guten chemischen Zustand“ zu bringen. Für Grundwasser ist ein „guter mengenmäßiger“ und „guter chemischer Zustand“ zu erreichen.
Im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz wird seit 2008 an einer multidisziplinär angelegten Deutschen Anpassungsstrategie (DAS) an den Klimawandel gearbeitet, bei der auch das Wassermanagement eine wichtige Rolle spielt.
Die Richtlinie 2007/60/EG über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken bzw. Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (EG-HWRL) gibt die einen einheitlichen Rahmen für den Umgang mit dem Hochwasserrisiko innerhalb der Europäischen Union vor. Sie fordert eine dezentrale Hochwasservorsorge, also die Verringerung der Fließgeschwindigkeit von Gewässern und die Regenrückhaltung möglichst am Ort der Niederschläge. Auf ihrer Grundlage wurde in vielen Rheinland-Pfälzischen Kommunen bereits Hochwasserrisiken systematisch erfasst und Maßnahmen ergriffen.
In Rheinland-Pfalz ist der im Oktober 2024 veröffentlichte Zukunftsplan Wasser des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität handlungsleitend. Schwammregion Soonwald-Nahe unterstützt die „zentralen Ziele“ 3 bis 5 von 7 der Landesregierung:
- „Wir regenerieren und stabilisieren den naturnahen Landschaftswasserhaushalt und schützen diesen.
- Wir schaffen saubere und klimaresiliente Gewässer
- Wir treffen Vorsorge vor Extremereignissen für Mensch und Umwelt“
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Das Projekt wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) bis Ende 2026 gefördert und ist ein Partnervorhaben der Hochschule Geisenheim University, des Naturparks Soonwald-Nahe und des Regionalbündnis Soonwald-Nahe. Damit kooperieren in der Region erstmals Wissenschaft, öffentlicher Träger und die ehrenamtliche Plattform. Ziel ist es, ein akteursübergreifendes Netzwerk zum Wasserrückhalt aufzubauen und praxisnahe Maßnahmen zur Erhöhung des Wasserrückhalts in der Region zu entwickeln und umzusetzen.